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Österreicherin wird oberste Repräsentantin der europäischen Rechtsanwälte

Utl.: ÖRAK-Vizepräsidentin Dr. Marcella Prunbauer-Glaser wurde zur Präsidentin des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) in Brüssel gewählt; Stärkung der Rechtsstaatlichkeit ist wichtigstes Projekt ihrer Amtszeit;

Im Rahmen der Plenarversammlung des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) in Antwerpen wurde die Wiener Rechtsanwältin Dr. Marcella Prunbauer-Glaser am gestrigen Samstag einstimmig zur neuen CCBE-Präsidentin gewählt. Prunbauer-Glaser, die gleichzeitig Vizepräsidentin des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK) ist, wird damit zur Spitzenvertreterin von mehr als einer Million Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus 42 europäischen Ländern. Die 53-jährige Wienerin wird ihr Amt als Nachfolgerin des Belgiers Georges-Albert Dal mit 1. Jänner 2012 antreten. Die CCBE-Präsidentschaft, die im Jahr 2001 mit dem jetzigen ÖRAK-Präsidenten Dr. Rupert Wolff erst einmal ein Österreicher inne hatte, wechselt jährlich.

Der Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) mit Sitz in Brüssel wurde 1960 bereits drei Jahre nach der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet und ist das von den Europäischen Institutionen anerkannte, anwaltliche Sprachrohr Europas. Zu den wichtigsten Aufgaben des CCBE gehören die Verteidigung und Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der demokratischen Werte in Europa, wie etwa der Zugang zum Recht und die Einhaltung der Grundrechte. Auch die Mitgestaltung der Rahmenbedingungen zur grenzüberschreitenden Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und die Sicherung der anwaltlichen Kernprinzipien (Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Freiheit von Interessenskollisionen) zählen zu den vordringlichen Anliegen des CCBE. In Wahrnehmung seiner Aufgaben wird der CCBE von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament regelmäßig eng in die Erarbeitung bestimmter EU-Richtlinien eingebunden.

Zwtl.: Auswirkungen der Finanzkrise auf die Justizsysteme der europäischen Staaten als größte Herausforderung des nächsten Jahres

In einer ersten Reaktion bedankte sich die neu gewählte Präsidentin bei den Delegierten für das ihr entgegengebrachte Vertrauen in einer von Krisen gebeutelten Zeit. Die größte Herausforderung für ihre bevorstehende Amtszeit sieht sie in der Bewältigung der europäischen Finanzkrise und insbesondere deren Auswirkungen auf die Justizsysteme der europäischen Staaten. „Die Maßnahmen der Troika aus EU, EZB und IWF zur Bewältigung der Finanzkrise und Förderung des Wirtschaftswachstums bringen naturgemäß auch massive Nebenwirkungen für die einzelnen Justizsysteme und Rechtsstaaten mit sich“, beschreibt Prunbauer-Glaser die Ausgangssituation. Davon seien sowohl die Rechtsanwälte als auch jede Bürgerin und jeder Bürger Europas direkt betroffen. „Vor allem in jenen Staaten, die Finanzhilfe benötigen und unter Beobachtung der Troika stehen, sind staatliche Eingriffe in die Berufsausübung und Selbstverwaltung der Rechtsanwälte zu befürchten. Diese Entwicklung ist angesichts der demokratiepolischen Notwendigkeit eines von staatlichem Einfluss völlig unabhängigen Rechtsanwaltes höchst bedenklich“, warnt Prunbauer-Glaser, „Das Grundrecht jedes Bürgers auf einen vom Staat unabhängigen, verschwiegenen Rechtsanwalt ist ein hohes Gut des demokratischen Rechtsstaates. Dieses gilt es zu verteidigen!“.

Zwtl.: Prunbauer-Glaser: „Der Weg Europas aus der Krise kann nur über funktionierende Justizsysteme führen“

Außerdem sei zu befürchten, dass die Justizsysteme der einzelnen Staaten angesichts der Finanzkrise mehr und mehr unter budgetären Druck geraten. „Der Rechtsstaat darf nicht ökonomischen Faktoren unterworfen werden“, warnt Prunbauer-Glaser vor Kürzungen in den Justizbudgets der Mitgliedstaaten. Der Zugang zum Recht müsse gewährleistet werden, ebenso wie ein faires Verfahren in angemessener Zeit. In diesem Bereich Budgetkürzungen vorzunehmen sei gerade in Krisenzeiten besonders fahrlässig. „Eine intakte Justiz ist ein unverzichtbarer Anker des demokratischen Rechtsstaates und ein ebenso wichtiger Faktor für den Wirtschaftsraum Europa“, so Prunbauer-Glaser, „Der Weg Europas aus der Krise kann nur über funktionierende Justizsysteme führen“. Der europäisch-demokratische Geist fuße nicht zuletzt auf stabilen rechtsstaatlichen Systemen. „Sowohl die Unabhängigkeit der Gerichte, als auch die der Rechtsanwälte sind die tragenden Säulen dieser Rechtsstaatlichkeit“, so Prunbauer-Glaser. Die Stabilität der europäischen Rechtsstaatlichkeit könne nur durch eine ständige Beobachtung und Evaluierung auf europäischer Ebene gesichert werden. Hier werde sie versuchen, Schwerpunkte zu setzen, schließlich sei die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit das wohl wichtigste Projekt ihrer Amtszeit.

Zwtl.: Grundrechte müssen auf europäischer Ebene gestärkt werden

„Auch im Bereich der Grundrechte ist eine Stärkung nur auf europäischer Ebene zu bewerkstelligen“, so Prunbauer-Glaser. Die von Justizkommissarin Viviane Reding angekündigte, notwendige Modernisierung des Datenschutzrechtes sei in diesem Zusammenhang genauso zu begrüßen, wie der beabsichtigte Ausbau der Beschuldigtenrechte im Strafverfahren. „Hier werden sich die Rechtsanwälte mit ihrer Expertise genauso einbringen, wie bei der geplanten Einführung eines freiwilligen europäischen Vertragsrechtes“, so Prunbauer-Glaser, die es als eine Kernaufgabe des CCBE betrachtet, in diesen Bereichen entscheidend mitzuwirken. Die Rechtsanwälte seien ein maßgeblicher Faktor der Rechtsentwicklung, nicht nur in den einzelnen Staaten, sondern vor allem auch in Europa.

Zwtl.: ÖRAK-Präsident Wolff: „Europa war und ist für die österreichischen Rechtsanwälte seit jeher besonders wichtig“

Besonders erfreut über die Bestellung Prunbauer-Glasers zur CCBE-Präsidentin zeigt sich ÖRAK-Präsident Rupert Wolff, der die Bedeutung dieser wichtigen Funktion unterstreicht. „Europa war und ist für die österreichischen Rechtsanwälte seit jeher besonders wichtig. Es macht mich stolz, dass Österreichs Anwaltschaft bereits zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit den Präsidenten stellt. Noch mehr freut es mich, dass mit Marcella Prunbauer-Glaser einer glühenden Europäerin und Kollegin aus dem Präsidium des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages diese besondere Ehre zuteil wird“, so Wolff, „Ich wünsche meiner Kollegin bei der Umsetzung ihrer Vorhaben alles Gute“. Die Unterstützung der österreichischen Anwaltschaft sei ihr jedenfalls gewiss.

Dr. Marcella PRUNBAUER-GLASER (geb. 14.12.1957)

Dr. Prunbauer-Glaser, die sowohl in Wien als auch New York als Rechtsanwältin eingetragen ist, ist bereits seit 1997 Mitglied des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien sowie der österreichischen CCBE-Delegation, deren Leitung sie 1999 übernahm. 2009 wurde sie zur zweiten Vizepräsidentin, im Vorjahr zur ersten Vizepräsidentin des CCBE gewählt. Nach ihrer Wahl zur Präsidentin des CCBE am 26. November 2011 in Antwerpen ist sie ab 1.1.2012 oberste Repräsentantin der europäischen Rechtsanwälte in Brüssel. Zudem ist sie seit 2009 Vizepräsidentin des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK).

Alle Informationen über den CCBE sind auf dessen Homepage unter http://www.ccbe.eu abrufbar.

In Österreich gibt es 5600 Rechtsanwälte und 1900 Rechtsanwaltsanwärter. Rechtsanwälte sind bestausgebildete und unabhängige Rechtsvertreter und -berater, die nur ihren Klienten verpflichtet und verantwortlich sind. Primäre Aufgabe ist der Schutz, die Verteidigung und die Durchsetzung der Rechte Einzelner. Dritten gegenüber sind Rechtsanwälte zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, womit auch eine völlige Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet wird. Vertreten werden die Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern sowie durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, ÖRAK, mit Sitz in Wien.

Rückfragehinweis:

Österreichischer Rechtsanwaltskammertag,
Bernhard Hruschka Bakk., Tel.: 01 535 12 75-15, 0699 104 165 18
hruschka@oerak.at, www.rechtsanwaelte.at  

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