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Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022

Zwei Jahre nach der letzten umfassenden Änderung des rechtsanwaltlichen Berufsrechts passierte nun am 19.05.2022 das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2022 (BRÄG 2022) den Nationalrat. Von den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen des ÖRAK werden laufend Vorschläge zur Erneuerung und Novellierung des rechtsanwaltlichen Berufsrechts ausgearbeitet. Das BRÄG 2022 enthält auf Vorschlag des ÖRAK vor allem die neu geschaffene Möglichkeit zur Ruhendstellung der Rechtsanwaltschaft aufgrund Elternschaft.

Die wichtigsten Änderungen finden Sie nachstehend im Überblick:

1. Ruhendstellung aufgrund Elternschaft

Mir der Ruhendstellung aufgrund Elternschaft soll insbesondere eine Verbesserung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen werden. Die Ruhendstellung bei Elternschaft soll es frisch gebackenen Müttern und Vätern ermöglichen, in die Liste eingetragen zu bleiben, ohne die finanziellen Belastungen, die mit einer aktiven Eintragung verbunden sind, tragen zu müssen. Die Ruhendstellung bei Elternschaft steht sowohl Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten als auch Rechtsanwaltsanwärterinnen und -anwärtern offen.

Folgende wesentliche Punkte regelt das BRÄG 2022:

► Das Ruhen aufgrund Elternschaft kann maximal für zwei Jahre
     beantragt werden.

    Rechtsanwältinnen und Rechtsanwaltsanwärterinnen können das
      Ruhen ab dem Beginn eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1
      bis 3 Mutterschutzgesetz 1979 bzw bei Selbständigen eines
      entsprechenden Zeitpunkts beantragen.

    Väter können das Ruhen ab der Geburt des Kindes beantragen.

    Bei einer Annahme eines minderjährigen Kindes an Kindes Statt bzw
      einer Übernahme in unentgeltliche Pflege kann das Ruhen ab der
      Annahme oder der Übernahme beantragt werden.

► Bei Rechtsanwaltsanwärterinnen und -anwärtern muss die
     Ausbildungsanwältin bzw der Ausbildungsanwalt der Ruhendstellung
     zustimmen.

► Während des Ruhens aufgrund Elternschaft bleibt die Mitgliedschaft
     zur Rechtsanwaltskammer und die Eintragung in die Liste der
     Rechtsanwaltsanwärter aufrecht.

► Mit dem Ende des Ruhens aufgrund Elternschaft lebt die Berechtigung
     zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft bzw der Tätigkeit als
     Rechtsanwaltsanwärterin bzw -anwärter wieder auf, ohne dass es einer
     gesonderten Antragstellung bedarf.

► Die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der
     Berufshaftpflichtversicherung entfällt während des Ruhens
     aufgrund Elternschaft der Berechtigung zur Ausübung der
     Rechtsanwaltschaft.

► Die Umlagenordnungen der Rechtsanwaltskammern können vorsehen,
     dass während des Ruhens aufgrund Elternschaft keine Beiträge zu den
     Versorgungseinrichtungen zu leisten sind. Für den Zeitraum eines
     Beschäftigungsverbots bzw eines entsprechenden Zeitraums bei
     Selbständigen kann die Satzung Teil A 2018 vorsehen, dass diese
     Kalendermonate bei der Rentenberechnung angerechnet werden,
     wenn ein Ruhen aufgrund Elternschaft beantragt wurde und daher
     keine Beiträge geleistet wurden. In der Satzung soll eine
     Nachkaufsmöglichkeit für die Monate des Ruhens aufgrund
     Elternschaft vorgesehen werden.

► Das aktive Wahlrecht bleibt durch das Ruhen unberührt. Während des
     Ruhens besteht jedoch kein passives Wahlrecht.

► Die Beitragsordnungen können vorsehen, dass die Kammerbeiträge
     während des Ruhens aufgrund Elternschaft gestundet oder ganz
     oder teilweise nachgesehen werden können.


2. Weitere Änderungen in der Rechtsanwaltsordnung

a) Rechtsanwaltskommissär

Bisher gab es lediglich die Bezeichnung „Kammerkommissär“ für die Rechtsanwältin bzw den Rechtsanwalt, die bzw der vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer bei Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34a Abs 2 RAO bestellt wird. Jedoch gab es keine Kurzbezeichnung für die Rechtsanwältin bzw den Rechtsanwalt, die bzw der gem § 34a Abs 5 RAO für die andere Rechtsanwältin bzw den anderen Rechtsanwalt eintritt. Nun wird für die „eintretende“ Person die Bezeichnung „Rechtsanwaltskommissär“ in der RAO verwendet.

b) Vertretungsbefugnis des Präsidenten

Anders als bei der Präsidentin bzw dem Präsidenten des ÖRAK und dessen Stellvertreterinnen bzw Stellvertretern gab es in der RAO keine ausdrückliche Regelung zur Vertretungsbefugnis von Präsidentinnen und Präsidenten sowie Präsidentinnen- und Präsidenten-Stellvertreterinnen und -Stellvertreter der Rechtsanwaltskammern nach außen. Dies wird mit dem neuen § 22 Abs 2a RAO nachgeholt.

c) Zitatberichtigung in § 36 RAO

Klargestellt wurde in § 36 RAO, dass bei Satzungsänderungen, die die Aufnahme oder die Ausübung des Berufs der Rechtsanwältin bzw des Rechtsanwalts oder die Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärterin bzw als Rechtsanwaltsanwärter beschränken oder dazu bestehende Regelungen ändern, eine Verhältnismäßigkeitsprüfungdurchzuführen ist und die Kundmachungsvorschriften ebenso für Satzungen gelten. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung war nach richtlinienkonformer Auslegung jedenfalls schon vor dieser Klarstellung eine Notwendigkeit.

3. Weitere Änderung im Disziplinarstatut

In § 24 DSt war eine eigenständige datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage im Zusammenhang mit der Bereitstellung, Verarbeitung, Übermittlung oder Weiterverarbeitung von in einem Strafverfahren ermittelten personenbezogenen Daten in Disziplinarverfahren notwendig.

4. Verlängerung der Corona Regelungen

Ebenso wurde durch einen Abänderungsantrag im Justizausschuss die COVID-19-Sonderregelungen in RAO und DSt bis 31.12.2022 verlängert. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer kann eine Briefwahl bzw Briefabstimmung zur Erledigung der der Plenarversammlung zugewiesenen Aufgaben auch dann anordnen, wenn die Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer diese Möglichkeit bislang nicht oder nur eingeschränkt eröffnet. Dies betrifft auch die Möglichkeit, dass die Durchführung einer Plenarversammlung ausnahmsweise entfallen kann. Damit wird sichergestellt, dass die von den Plenarversammlungen zu besorgenden verschiedenen Aufgaben auch dann verlässlich und zeitgerecht erledigt werden können, wenn die Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 keinen Aufschub dulden. Diese Möglichkeit wurde auch im Bereich des DSt für die Festsetzung bzw Änderung der Geschäftsordnung des Disziplinarrats eröffnet.

5. In- und Außerkrafttretensbestimmungen

Der Großteil der Bestimmungen des BRÄG 2022 treten mit 01.07.2022 in Kraft. § 24a Abs 8 erster Satz, § 27 Abs 5a erster Satz und § 60 Abs 15 RAO sowie § 24 und § 80 Abs 7 DSt treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. § 24a Abs 8 erster Satz, § 27 Abs 5a erster Satz und § 60 Abs 15 RAO treten mit Ablauf des 31.12.2022 wieder außer Kraft.

 

Dittenberger/Koch

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