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Reformentwurf der Strafprozessordnung: Anwälte fordern mehr Rechte für Verteidiger und Verbrechensopfer

Im Gegensatz zur Hauptverhandlung entzieht sich das nicht minder wichtige Vorverfahren meist dem medialen und öffentlichen Interesse. Doch gerade diese erste Phase des Strafverfahrens ist nach Meinung der Rechtsanwaltschaft im Reformentwurf der Strafprozessordnung unzureichend geregelt.

Die Sammlung von Beweisen, Zeugeneinvernahmen, Sachverständigengutachten und die Einvernahme von Beschuldigten führen bisweilen bereits im Vorverfahren zu unrichtigen der Hauptverhandlung oft nicht mehr zu beseitigen. Die Rechtsanwälte vertreten daher die Ansicht, dass die Grund- und Freiheitsrechte des Staatsbürgers im Vorverfahren nicht ausreichend gewahrt sind. Aber auch die Opfer von Straftaten genießen noch unzureichenden Schutz.

Ausbau der Verteidigerrechte
Im Einzelnen fordern die Rechtsanwälte den Ausbau der Verteidigerrechte im folgenden Umfang:

a) Uneingeschränktes Recht auf Beiziehung eines Verteidigers bei jeder polizeilichen oder gerichtlichen Vernehmung Dieses Recht, welches für entwickelte Demokratien selbstverständlich sein müsste (vgl. amerikanische Fernsehserien), ist immer noch nicht eingeräumt. Interessanterweise hat der österreichische Verwaltungsgerichtshof für die Vernehmung bei den Sicherheitsbehörden das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers anerkannt. Im Strafprozessreformentwurf ist dieses Recht für die Vernehmung beim Richter wiederum nicht gegeben.

b) Das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers zur Beweisaufnahme mit Absicherung durch ein Verwertungsverbot: Neben der Einvernahme des Verdächtigen ist auch die Einvernahme von Zeugen, die Durchführung von Lokalaugenscheinen und dergleichen mehr ein wichtiger Bestandteil des Vorverfahrens. Auch dort sollte der Verteidiger beigezogen werden müssen. Unterbleibt diese Beiziehung, sollten die entsprechenden Beweise nicht verwertet werden dürfen (Verwertungsverbot).

c) Ausbau der Pflichtverteidigung:
Schon bei der Festnahme eines Beschuldigten sollte ein Rechtsanwalt beigegeben werden.

Mehr Rechte für Verbrechensopfer
Die Regierungsvorlage sieht vor, dass nur eine gewisse Klasse von Verbrechensopfern (beispielsweise Opfer von Sexualdelikten, Misshandlungen) anwaltlichen Schutz erhalten sollen. Die Rechtsanwaltschaft ist gegen eine Zweiklassengesellschaft bei den Verbrechensopfern. Gerade Geschädigte aus Wirtschaftsdelikten (untreue Vermögensverwalter, Pyramidenspiele etc.) sollten ausreichend Schutz genießen. Dies erfordert, dass sich diese Verbrechensopfer schon im Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen können, ihre Ansprüche sollten, wenn möglich, schon im Strafverfahren beziffert und urteilsmäßig zugesprochen werden. Dies erspart einen aufwändigen Zivilprozess. Für mittellose Opfer wäre Verfahrenshilfe zu gewähren.

Zulassung von Privatgutachten
Der Sachverständigenbeweis spielt sowohl im Vorverfahren als auch im Hauptverfahren eine große Rolle. In vielen Fällen ist das Gericht auf den Sachverstand des Sachverständigen angewiesen und übernimmt dessen Meinung, ohne eine realistische Prüfungsmöglichkeit zu haben. Diese gesetzliche Lage gilt im Übrigen vergleichbar auch für das Zivilverfahren. Die Anwälte fordern die Möglichkeit, dem Richter Privatgutachten vorlegen zu können, um gegebenenfalls fundierte Zweifel an gerichtlich eingeholten Gutachten wecken zu können. Nur so ist gewährleistet, dass auch der Sachverständigenbeweis der objektiven Wahrheit nahe kommt.

Dr. Peter Posch,
Linz am 26. September 2003

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