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Strafrechtliches EU-Anpassungsgesetz 2020

Das strafrechtliche EU-Anpassungsgesetz 2020 wurde am Samstag, 21. März 2020, kundgemacht (BGBl. I Nr. 20/2020). Die Bestimmungen treten weitgehend mit 1. Juni 2020 in Kraft.

Mit diesem Gesetz sollen u.a. die Richtlinie (EU) 2016/1919 Prozesskostenhilfe sowie die Richtlinie (EU) 2016/800 Jugendstrafverfahren umgesetzt werden. Einige wichtige Neuregelungen haben wir untenstehend zusammengefasst.


Zu den StPO-Änderungen:

§ 59 Abs. 5 StPO regelt, dass der Beschuldigte die Kosten für die Beiziehung eines „Verteidigers in Bereitschaft“ gemäß § 59 Abs. 4 StPO nicht zu tragen hat, wenn er erklärt, dazu aus den in § 61 Abs. 2 erster Satz StPO genannten Gründen außer Stande zu sein.

Dies gilt in Hinkunft für folgende Fälle:

  • für die Beiziehung zu der nach § 174 Abs. 1 StPO durchzuführenden Vernehmung
  • wenn es sich um einen schutzbedürftigen Beschuldigten handelt (§ 61 Abs. 2 Z 2).


Achtung: Ergibt sich allerdings im weiteren Verfahren, dass die Erklärung des Beschuldigten falsch war, so ist er vom Gericht nachträglich zum Ersatz dieser Kosten zu verpflichten.

Der Wortlaut des § 61 Abs. 2 Z 2 StPO betreffend die Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten wurde konkretisiert. In den Fällen der Z 2 soll nach Ermessen des Gerichts die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers auch von Amts wegen beschlossen werden können.

§ 62 Abs. 2a StPO regelt, dass die Beigebung und Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers unverzüglich, jedenfalls aber vor der nächstfolgenden Vernehmung des Beschuldigten, Tatrekonstruktion (§ 149 Abs. 1 Z 2, § 150) oder Gegenüberstellung (§ 163 StPO), zu der der Beschuldigte beigezogen wird, zu erfolgen hat. Vor deren Durchführung ist dem Verteidiger eine angemessene Vorbereitungsfrist zu gewähren. Dies wurde auf Anregung des ÖRAK im Gesetz festgehalten.

Gemäß § 171 Abs 4 Z 2 lit a StPO ist dem Beschuldigten auf Verlangen die Kontaktaufnahme mit einem „Verteidiger in Bereitschaft“ (§ 59 Abs. 4) zu ermöglichen, dessen Kosten er unter den Voraussetzungen des § 59 Abs. 5 nicht zu tragen hat.


Zu den Änderungen im JGG:

In § 31a JGG wird ein besonderes Beschleunigungsgebot für Jugendstrafsachen festgehalten. In § 32a JGG wird die Rechtsbelehrung von Jugendlichen umfassend geregelt. Regelungen zur Vernehmung finden sich in § 36 a JGG, jene zur medizinischen Untersuchung in § 37a JGG.

In § 39 JGG wird geregelt, in welchen Fällen ein jugendlicher Beschuldigter durch einen Verteidiger vertreten werden muss (siehe Abs. 1 Z 1 bis 5).

Wenn für seine Verteidigung in den Fällen des Abs. 1 nicht anderweitig gesorgt ist, ist laut Abs. 2 dem jugendlichen Beschuldigten von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er zu tragen hat (Amtsverteidiger – § 61 Abs. 3 zweiter Satz StPO). Würde die Verpflichtung zur Zahlung der Verteidigungskosten sein Fortkommen erschweren oder liegen die Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 erster Satz StPO vor, muss dem jugendlichen Beschuldigten von Amts wegen ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben werden.

Sofern der jugendliche Beschuldigte nach der Festnahme oder nach der Vorführung zur sofortigen Vernehmung nicht einen frei gewählten Verteidiger beizieht, ist ihm gemäß Abs. 3 unverzüglich die Beiziehung eines Verteidigers in Bereitschaft (§ 59 Abs. 4 StPO) zu ermöglichen. Diese Bestimmung sieht explizit vor, dass der Jugendliche auf dieses Recht nicht verzichten kann. Verweigert der jugendliche Beschuldigte diese Beiziehung, hat die Kriminalpolizei den Verteidiger in Bereitschaft beizuziehen. Die Kosten der Beiziehung und der Beiziehung zu der nach § 174 Abs. 1 StPO durchzuführenden Vernehmung hat der jugendliche Beschuldigte unter den Voraussetzungen des Abs. 2 nicht zu tragen.


Zu den Änderungen im EU-JZG:

Gemäß § 16a Abs. 1 Z 3 EU-JZG hat die Belehrung von aufgrund eines Europäischen Haftbefehls Festgenommenen u.a. das Recht, im Fall der Festnahme einen Verteidiger beizuziehen, einschließlich des Rechts auf Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger in Bereitschaft zu umfassen.

Gemäß § 30a EU-JZG hat eine Person, die aufgrund eines von einer österreichischen Justizbehörde erlassenen Europäischen Haftbefehls festgenommen wurde, nach wie vor das Recht, einen Verteidiger zu bevollmächtigen. Teilt die vollstreckende Justizbehörde mit, dass die betroffene Person von diesem Recht Gebrauch machen will, hat nach dem neuen Abs. 2 die Staatsanwaltschaft unverzüglich die betroffene Person über die Möglichkeit der Beiziehung eines Verteidigers in Bereitschaft (§ 59 Abs. 4 StPO) und Möglichkeiten zur Bevollmächtigung eines Verteidigers, sowie die Voraussetzungen, unter denen ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben werden kann (§ 61 Abs. 2 StPO), zu informieren.

Ist der Person ein Verfahrenshilfeverteidiger nach § 61 Abs. 2 StPO beigegeben, so umfasst dessen Tätigkeit nach dem neuen Abs. 3 erforderlichenfalls auch die Unterstützung ihres Verteidigers im Vollstreckungsstaat.

Weitere Details zum Übergabeverfahren finden Sie in §§ 27 ff JGG dieses Gesetzes.


Zu den Änderungen im ARHG:

Bezüglich Auslieferungshaft, regelt § 29 Abs 3 ARHG jetzt schon, nach § 59 StPO vorzugehen ist, wenn die Person festgenommen wurde und noch keinen Verteidiger hat. Nun wurde ergänzt, dass ihr die Freistellung von der Tragung der Kosten eines Verteidigers in Bereitschaft (§ 59 Abs. 5 StPO) zugutekommt.


Zum rechtsanwaltlichen Bereitschaftsdienst:

Die einzelnen Verweise dieses Gesetzes auf die Bestimmung des § 59 Abs 4 StPO zeigen, dass das Strafrechtliche EU-Anpassungsgesetz 2020 mit Auswirkungen auf den rechtsanwaltlichen Bereitschaftsdienst verbunden ist. Die Folgenabschätzung zum damaligen Ministerialentwurf verdeutlicht, dass sich der Anfall für den Bereitschaftsdienst um ein Vielfaches erhöhen wird.

Der ÖRAK arbeitet daher derzeit gemeinsam mit dem BMJ und in Abstimmung mit den Rechtsanwaltskammern an einer neuen Organisation des rechtsanwaltlichen Bereitschaftsdienstes.

Sicher ist, dass ab Juni 2020 mehr freiwillige Bereitschaftsanwälte gebraucht werden. Wir freuen uns daher über das Interesse von weiteren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, am Bereitschaftsdienst mitzuwirken. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an die Rechtsanwaltskammer in Ihrem Bundesland.

 

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