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Rechtsanwälte lehnen neues Finanzprokuraturgesetz weiterhin strikt ab

Benn-Ibler: „Viele der geplanten Maßnahmen stehen in glattem Widerspruch zu rechtsstaatlichen Prinzipien!“

Nachdem der von mehreren Seiten massiv kritisierte Gesetzesentwurf vergangene Woche im Eilverfahren vom Ministerrat abgesegnet wurde, sieht sich der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) gezwungen, mit Nachdruck auf seine bereits mehrfach geäußerten Bedenken hinzuweisen. „Es kann nicht angehen, dass Gesetzesvorhaben trotz offensichtlicher, gravierender Mängel ohne Rücksicht auf Verluste durchgepeitscht werden“, zeigt sich ÖRAK-Präsident Gerhard Benn-Ibler über die Vorgehensweise der Regierung verärgert. Trotz zahlreicher Kritikpunkte hält es der Gesetzgeber offenbar nicht für notwendig, sich intensiv mit aufgezeigten Problemfeldern auseinanderzusetzen. „Stattdessen wird unter dem Deckmantel angeblicher Budgetentlastung ein Beschluss gefasst, der alles andere als ausgegoren ist und in vielen Punkten in glattem Widerspruch zu rechtsstaatlichen Prinzipien steht“, so Benn-Ibler.

Als Hauptkritikpunkt führt Benn-Ibler das in diesem Gesetz umfassende Vertretungs- und Beratungsrecht ins Treffen. Dieses soll der Finanzprokuratur sowohl für den Bund, als auch für Gemeinden und Länder sowie für ausgegliederte Rechtsträger (z.B. die ÖBB) eingeräumt werden. „Ein glatter Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und zudem inländerdiskriminierend“, so Benn-Ibler, „der Entwurf ist daher als europarechtswidrig und verfassungsrechtlich bedenklich einzustufen!“

„Der Umstand, dass die Finanzprokuratur ihre Leistungen an den Bund nicht zu marktüblichen Preisen erbringt, bedingt zudem eine klare Wettbewerbswidrigkeit“, nennt der ÖRAK-Präsident einen weiteren Kritikpunkt. Die für eine umfassende Rechtsberatung notwendige personelle Aufstockung und die damit verbundene Steigerung des Sachaufwandes enttarnen die angebliche Budgetentlastung als klassische Milchmädchenrechnung.

Auch die drohende Gefahr mannigfacher Interessenskonflikte scheint der politischen Aufmerksamkeit offenbar entgangen zu sein. „Aufgrund ihrer weisungsgebundenen Eingliederung in das Finanzministerium entpuppt sich die erweiterte Vertretungs- und Beratungsbefugnis der Finanzprokuratur auf Länder und Gemeinden als potenzieller Gefahrenherd“, weist Benn-Ibler auf vorprogrammierte Interessensstreitigkeiten hin. „Die Finanzprokuratur ist verpflichtet dem Finanzministerium über ihre Tätigkeiten zu berichten, ohne Rücksicht darauf, für wen die Tätigkeit erfolgt“, eine Verschwiegenheitspflicht im Interesse des Klienten gilt also, anders als für den Rechtsanwalt, nicht. „Der Einflussnahme von oben ist daher unabhängig davon ob es sich bei dem Klienten um den Bund, ein Land oder etwa ein ausgegliedertes Unternehmen wie die ÖBB handelt, Tür und Tor geöffnet“, so Benn-Ibler kopfschüttelnd.

Als „glattes Unding“ bezeichnet der ÖRAK-Präsident jene Regelung, die sich mit der Haftungsfrage befasst. „Dass der Bund, der selbstverständlich für die Handlungen der Finanzprokuratur haftet, sich in solch einem Fall wieder durch diese, also den eigentlichen Verursacher, vertreten lassen muss, ist nicht nur kurios sondern auch rechtsstaatlich unmöglich“, so Benn-Ibler.

Unter Berücksichtigung der angeführten Kritikpunkte wäre es zwingend notwendig, den Entwurf gründlich zu überarbeiten und damit umfassende Vorbehalte auszuräumen. „In seiner jetzigen Form ist das vorliegende Gesetz weiterhin mit aller Entschiedenheit abzulehnen“, fasst Benn-Ibler den Standpunkt der österreichischen Rechtsanwaltschaft zusammen.

 

In Österreich gibt es 5200 Rechtsanwälte, rund sechzehn Prozent davon sind Frauen. Rechtsanwälte sind bestausgebildete und unabhängige Rechtsvertreter und -berater, die nur ihren Klienten verpflichtet und verantwortlich sind. Primäre Aufgabe ist der Schutz, die Verteidigung und die Durchsetzung der Rechte Einzelner. Dritten gegenüber sind Rechtsanwälte zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, womit auch eine völlige Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet wird. Vertreten werden die Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern sowie durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, ÖRAK, mit Sitz in Wien.

Rückfragehinweis:
Österreichischer Rechtsanwaltskammertag,
Bernhard Hruschka Bakk., Tel.: 01/535 12 75-15,
hruschka@oerak.at, www.rechtsanwaelte.at

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