zur Navigation, zu nützlichen Links

Die Interessen der Bürger im Rechtsstaat wahrnehmen

Wahrnehmungsbericht der österreichischen Rechtsanwaltschaft

„Auch wenn es gar keinen Zweifel geben kann, dass Österreich unter den europäischen Staaten, was seine Rechtsstaatlichkeit anlangt, eine Spitzenstellung hält, so gibt es doch eine ganze Reihe von zum Teil immer wieder auftretenden Schwierigkeiten und Unzukömmlichkeiten, die im Interesse der Bürger unseres Staates verbesserungsfähig sind,“ meint Dr. Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages.

Gesetzesbegutachtung
Die Möglichkeit der Begutachtung von Gesetzesentwürfen ist ein wesentlicher Bestandteil der österreichischen Rechtskultur. Dafür ist es allerdings unabdingbar, in das Begutachtungsverfahren eingebunden zu werden. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag kann sonst die ihm vom Gesetzgeber übertragene Aufgabe nicht erfüllen. Gerade die umfassende Diskussion von Gesetzesentwürfen ist ein notwendiger Bestandteil der Gesetzeswerdung. Sie stellt sicher, dass in einem Gesetz alle wesentlichen Aspekte angemessen Berücksichtigung finden und schützt daher vor Fehlern und Unklarheiten. Auch allzu schnelle Novellierungen werden dadurch vermieden.

Wiederholt werden muss die Kritik an den teilweise viel zu kurzen Begutachtungsfristen, sowie der Ruf nach übersichtlichen und verständlichen Gesetzen. (Siehe Wahrnehmungsbericht Seite 6 ff)

Diese Problematik stellt sich auch im Rahmen der Rechtsetzung auf EU-Ebene. In den zuständigen Ratsarbeitsgruppen werden teilweise sehr umfangreiche Textentwürfe, Vorschläge, etc, oftmals mit äußerst knappen Fristen zur Stellungnahme vorgelegt. Zudem liegen die Entwürfe häufig nur in fremdsprachiger Fassung vor. So bleibt nur wenig Zeit für eine nationale Koordinierung und vernünftige Befassung der betroffenen Stellen. (Siehe Wahrnehmungsbericht Seite 9 ff)

Kontakt mit den Klienten vor der Hauptverhandlung
Thematisiert wird im diesjährigen Wahrnehmungsbericht auch, dass der Kontakt mit dem Beschuldigten vor der Hauptverhandlung wesentlich erschwert wird. Es kam wiederholt vor, dass Untersuchungshäftlinge ohne Verständigung des Rechtsbeistandes örtlich verlegt wurden. Diese Vorgehensweise erschwert dem Verteidiger die Wahrnehmung seiner Aufgaben und ist einer effektiven Verteidigung und damit einem fairen Verfahren höchst abträglich. (Siehe Wahrnehmungsbericht Seite 16 ff)

 

 

Personalmangel bei Gerichten

Es wird berichtet, dass der Gerichtsbetrieb im Großen und Ganzen aufgrund der qualitätvollen und effizienten Arbeit des richterlichen und nichtrichterlichen Personals reibungslos abläuft. Viele vermeidbare Probleme ergeben sich aufgrund des mit der Budgetsituation verbundenen Personalmangels. Durch die immer stärker werdende Auslagerung von Tätigkeiten leiden die Qualität und die Effektivität. Beispielsweise kommt es zu Verzögerungen bei der Übertragung von Protokollen, auf Verhandlungstermine und auf Urteilsausfertigungen muss bis zu einem Jahr gewartet werden. (Siehe Wahrnehmungsbericht Seite 23 ff)

Grundrechtsschutz in der Europäischen Union
In der Europäischen Union ist eine verstärkte Tendenz bemerkbar, auf Terroranschläge und die generell angespannte Sicherheitslage mit einer Anlassgesetzgebung zu reagieren. Dadurch drohen die Grundrechte und Freiheiten der Bürger massiv beeinträchtigt zu werden. Beispielsweise sieht der Vorschlag des Europäischen Rates für einen Rahmenbeschluss ebenso wie der Richtlinienentwurf der Kommission zur Vorratsdatenspeicherung keine ausreichenden Schutzmechanismen für personenbezogene Daten vor und der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl wurde erlassen, bevor eine Einigung über die Verfahrensrechte für die Beschuldigten erzielt werden konnte.

Ferner wurde Mitte 2005 die 3. Geldwäscherichtlinie beschlossen, ohne eine Überprüfung der Wirksamkeit und der Auswirkungen der 2. Geldwäscherichtlinie vorzunehmen. Die darin grundsätzlich auch für die Rechtsanwälte, wenn auch in eingeschränktem Umfang, geltende Verdachtsmeldepflicht führt zu einem massiven Eingriff in das Vertrauensverhältnis zwischen Klient und Rechtsanwalt, der nicht nur das Grundrecht des Bürgers auf absolut vertrauliche Beratung durch einen Rechtsanwalt sondern letztlich auch die Unabhängigkeit des europäischen Rechtsanwaltes in Frage stellt. (Siehe Wahrnehmungsbericht Seite 7 ff)

 

Der Wahrnehmungsbericht wird heute dem Justizministerium und anderen relevanten Stellen übermittelt und steht ab sofort unter www.rechtsanwaelte.at zur Verfügung. (Rubrik Presse/Stellungnahmen/Anwaltsblatt – Stellungnahmen)

 

In Österreich gibt es 4900 Rechtsanwälte, rund vierzehn Prozent davon sind Frauen. Rechtsanwälte sind bestausgebildete und unabhängige Rechtsvertreter und -berater, die nur ihren Klienten verpflichtet und verantwortlich sind. Primäre Aufgabe ist der Schutz, die Verteidigung und die Durchsetzung der Rechte Einzelner. Dritten gegenüber sind Rechtsanwälte zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, womit auch eine völlige Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet wird. Vertreten werden die Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern sowie durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, ÖRAK, mit Sitz in Wien.

 

Rückfragenhinweis:
ÖRAK, Öffentlichkeitsarbeit, Julia Bisanz, Tel. 01 / 535 12 75- 15

Rechtsanwalt
finden